
Fish of a Lifetime!
Es war kurz nach 16 Uhr als ich in meinem Wagen saß und nach Hause fuhr. Wobei, Stopp! Zuerst musste ich wieder an den See, meine tägliche Ration Futter auf die seit 2 Wochen unter Feuer stehenden Plätze verteilen. Wir hatten heute eine neue Charge Authentic Fish produziert, einen meiner Lieblingsboilies, und so bot es sich sehr gut an, dass ich die Teigreste die in den Maschinen zurückbleiben gleich mit in den Futtereimer werfe.
Für alle Leser sei kurz erwähnt, dass ich Angestellter bei Nautika Baits bin. So gut wie jeder Boilie, jedes Liquid oder Spray, von A bis Z, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit durch meine Hände gegangen oder unter meiner Aufsicht produziert worden. Wer mich kennt weiss, wie hoch meine Qualitätsansprüche bei meiner Angelei sind – und genau diese Maßstäbe setzen wir in der nautischen Halle für all unsere Produkte um! Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass ich nach meinem Jobwechsel zu Manuel und Eik bin, schließlich kannte ich die Produkte von Anfang an und konnte mir schon früh in der Entwicklungsphase ein Bild davon machen. Es entsprach meiner Art der Angelei in Bezug auf Hochwertigkeit der Rohstoffe, Verwertbarkeit bei den Fischen und einem sehr soliden Preis- Leistungsverhältnis, was gerade in unseren Breitengraden eine wichtige Rolle auch für die Futterangler spielt. Denn zu diesen zähle ich mich selbst; es ist fast schon ein Hobby im Hobby.
Es gibt mir nach einer erfolgreichen Session die Zufriedenheit und Gewissheit, alles (oder zumindest vieles) Richtig gemacht zu haben… genauso wie es mich im Falle eines Blanks beschäftigt, was schief gelaufen ist. Taktik, Intervall, Futtermenge, am wichtigsten noch: Die Platzwahl. Nur wenn alle Parameter miteinander kombinieren führt es zum Erfolg. Ein paar Stellschrauben gedreht, schon kann die Welt schon wieder anders aussehen. Das ist es was mir daran so gefällt.
So stehe ich also nun an der Uferkante und beobachte den ausgewählten Seebereich, in dem sich meine Spots befinden. Oftmals zeigen sie sich schon kurz nach dem Füttern durch Luftbläschen oder kurzem Rollen an der Oberfläche. Ich befüttere meine Spots mit dem Groundbaiter, und ich habe schon oft erlebt das sich die Fische auf das Geräusch der einprasselnden Boilies und Teigreste konditionieren, das Geräusch was ihnen verrät: Obacht, der Tisch ist wieder reich gedeckt, Zeit zum fressen.
So auch dieses Mal. Kaum habe ich die Futter Utensilien im Auto verstaut und eine Zigarette geraucht, da kann ich schon den ersten Blasenteppich in Spot Nähe ausmachen. Mir juckt es in den Fingern, doch ich diszipliniere mich und übe Geduld. Vertrauen auf dem Futterplatz aufzubauen gehört genauso dazu wie das regelmäßige füttern selbst. Vor etlichen Jahren habe ich mir einige Plätze dadurch verbrannt, indem ich einige Nächte am Stück und mit viel zu geringem Abstand durch gefischt habe, ohne entsprechende Angel Pausen einzulegen. Die Plätze wurden immer schlechter angenommen und brachten letztendlich im Vergleich zum eingebrachten Aufwand kaum noch was ein. Seitdem ich nun meine Spots regelmäßig ruhen lasse und den Fischen die Chance gebe wieder Vertrauen in den Platz und das eingebrachte Futter zu geben, läuft es wieder kontinuierlich, und über Monate auf den Futterplätzen. Meine Faustregel hierbei, und diese ergibt sich ganz gut für einen Berufstätigen, ist: 1-2 Nächte am Wochenende angeln und unter der Woche ruhen lassen.
So steige ich also doch noch in mein Auto und trete den Heimweg an. Zu gerne hätte ich dem Spektakel noch eine Weile beigewohnt, aber ich muss mich sputen. Daheim ist noch einiges zu tun, und wenn ich Morgen Nachmittag nach getaner Arbeit direkt ans Wasser möchte sollte ich gefälligst auch meine 7 Sachen packen und den Wochenendeinkauf erledigen.
Diesmal wird’s ein bisschen mehr sein, denn wir fahren zu 3. Ans Wasser, ein kleines ‚Social‘ steht an. Manuel und Christin begleiten mich hinaus, und so ist meine Aufgabe fürs Frühstück zu sorgen und ein paar Flaschen guten Pfälzer Wein mitzubringen. Gar Kein so leichtes Unterfangen was den Wein angeht…☺
Zur späten Stunde sitze ich auf der Couch und binde in voller Euphorie schon mal ein paar Rigs vor. Mein Rig der Stunde am besagten Spot sind Blowback Rigs, gebunden aus einerm 6er KRV Haken, mit einem Rig Ring oder Stück Silicone Tube auf dem Hakenschenkel. Die Haarlänge habe ich etwas länger gewählt, meinen Hakenködern geschuldet. Ich fische gerne Gross, 25er Boilie mit halbiertem Pop Up on Top sind meine Standardgröße. Falls sich jedoch Beifänge einstellen greife ich jedoch auch mal dazu einen 30er als Schneemann anzubieten, alles mit entsprechend langem Haar, um trotzdem genügend Beweglichkeit zu bieten, damit der 6er Haken ordentlich im Fleisch greift.
Ich habe Anfang März begonnen diesen Platz zu füttern und wollte einen Langzeittest machen. Was, wenn ich durchgängig nur 30mm Boilies und entsprechend große Teigreste füttere? Wird sich das auf die Bissfrequenz und die Fischgrösse ausmachen?
Ich finde: JA! Gefühlt habe ich weniger Fische der unteren Gewichtsklasse. Während einige Kollegen sich mit dem Neubesatz der K3 Karpfen abquälen konnte ich in den letzten 8 Wochen keinen der 3-4kg kleinen Karpfen fangen. Sicherlich lässt sich durch das Verwenden grosser Hakenköder die Beifangquote nicht allzu sehr beeinflussen. Meine Theorie mit den 30mm Boilies als alleiniges Futter ist jedoch, dass sich die einfindenden Kleinfische an den großen und harten Ködern sinnbildlich die „Zähne ausbeissen“, also zu lange benötigen um die Boilies klein zu bekommen und deshalb nicht den höchsten Stellenwert in der Nahrungsaufnahme.
Soweit die Theorie. Und ich muss sagen, sie hat sich in weiten Teilen auch bestätigt. Im Laufe des Jahres hatte ich kaum Beifänge, wenn man von Graskarpfen absieht. Lediglich 1 Satzer und 2 Brassen stehen im Fangbuch, wohingegen ich mein Durchschnittsgewicht deutlich anheben konnte.
So kam also der morgige Tag und die letzten Arbeitsstunden zogen sich wie Kaugummi. Die Vorfreude auf die nächsten 2 Nächte waren riesig! Die Plätze standen seit 8 Wochen im Futter und brachten schon einige gute Fische im Frühjahr, unter anderem konnte ich 2 Bomben aus dem Altbestand, jeweils über 30kg überlisten. Doch 2 weitere standen noch auf meiner To-do-Liste… auf die hatte ich es abgesehen.
Pünktlich zum Feierabend machte ich mich auf zum See und brachte zuerst die Ruten raus. Es wäre nicht das erste Mal, dass bereits in den ersten Minuten der ersehnte Lauf kommt. Schließlich lag meine Futterzeit auch immer in diesem Rhythmus, und wie bereits erwähnt, scheinen sich die Fische darauf konditioniert zu haben.
Und tatsächlich, während ich dabei war mein Zelt aufzubauen hatte ich den ersten Biss. Die erste Flucht des Fisches konnte ich gut abfangen, und nach einem unspektakulären Drill konnte Manuel mir den knapp 20kg schweren Spiegler keschern. Ein gelungener Einstand, würde ich mal behaupten!
Kaum waren die Bilder im Kasten und die Rute wieder auf ihrem Platz, da meldete sich die 2. Rute und zeigte mir einen Fallbiss an. Ohweh, kein gutes Zeichen, zumindest wenn man es, wie ich, auf die klassischen Karpfen abgesehen hat… Ich nahm also die Rute auf und nach kurzem Drill war mir klar was am anderen Ende hing. Erst vor dem Kescher begann das eigentliche Spielchen, und der erfahrene Leser wird bereits drauf gekommen sein, was da am Haken hing. Einer der zahlreichen Graskarpfen hat sich den Schneemann reingepfiffen und wühlte nun mit voller Kraft das Wasser auf. Ich hakte ihn direkt im Kescher ab und gab ihm noch einige Minuten Ruhepause, ehe er wieder das Weite suchte. Nun Gut, zumindest waren bereits Fische am Spot. Also Rute fertig machen und wieder ab auf den anvisierten Platz.
Manuel fischte am Platz nebenan und entschied sich von dort aus in einen anderen Seeteil zu fischen. So konnten wir unterschiedlichste Bereiche und Tiefen strategisch abfischen. Bei ihm kamen kleinere Köder in 20mm sowie ein paar Kellen Partikel zum Einsatz, um mehr Aufmerksamkeit auf die ungefütterten Plätze zu lenken. Kurz darauf zappelte es auch bei ihm an der Rute und zum Vorschein kam… nunja, seht selbst! Er muss reichlich Mühe gehabt haben, den 20er Snowman ins Maul bekommen zu haben. 😀
So vergingen die nächsten Stunden ohne eine weitere Aktion. Mir kam es vor, als hätten sich die Fische nach dem asiatischen Krachmacher wieder weitläufig im Seeteil verteilt und brauchten noch etwas Zeit, um den Spot erneut aufzusuchen. Macht aber nix, so nutzten wir die Abendstunden für ein gemütliches Social mit ein paar weiteren Locals, feinstem Grillfleisch und kühl gehaltenen Wein. Der Abend plätscherte nur so dahin und es war bereits nach 2 Uhr, ohne eine weitere Aktion an den Ruten, als ich einen langsamen Lauf bekam. Meine Bremse war wegen der naheliegenden Bäumen und Hindernissen recht hart eingestellt, doch sie nahm langsam Fahrt auf, ehe ich an der Rute war. Der Gegendruck war gewaltig, aber nicht hektisch, ähnlich einer Dampfwalze. Es galt den Fisch vor der nahegelegenen Unterwasserwelt weg zu halten, aber ihr kennt das: Meistens wissen die Kameraden genau wo sie hin müssen…! Ich war an einem Punkt angekommen bei dem ich anfing zu schwitzen, denn die Rute war aufs Bersten gebogen, ich übte mit geschlossener Bremse Druck aus und hoffte dass er einlenken würde, bevor der Haken schlitzt.
Es gelang mir! Langsam drehte er ab und kam das seitliche Ufer entlang in meine Richtung. Entwarnung war also noch nicht angesagt, war doch das ganze Ufer gespickt mit Hindernissen in Form von Bäumen und Ästen. Erfahrungsgemäss war das gefährlichste Ziel jedoch überwunden und erst als er sich weiter ins Freiwasser begab konnte ich die Schweisstropfen von der Stirn wischen. Nun musste alles nur noch seine gewohnt verlässliche Arbeit machen. Die Schlagschnur dem Muscheln übersäten Untergrund stand halten, der Haken dem Druck des Fisches gewachsen sein und ich, wie so oft, mein Schema-F abspulen. Ich wusste wo die Hindernisse unter Wasser waren und schaffte es, dem noch Unbekannten Gegner Paroli zu bieten und ihn von diesen Fern zu halten. 5 Meter vor dem Ufer kam er das erste Mal an die Oberfläche, um dann mit einem gewaltigen Schwall gleich wieder abzutauchen. Uffff, das war ein massiver, langer Fisch! Die Nervosität kam nun doch ein bisschen in mir hoch, doch keine 2 Minuten später lag er erschöpft und geschlagen an der Wasseroberfläche, bereit abgeschöpft zu werden. Manuel führte das Keschernetz unter den Fisch, musste dabei jedoch ein 2. Mal nachfassen. Im Kescher sahen wir dann warum: Das Kreuz des Fisches war einfach unglaublich! Massiv und breit wie ich es zuvor noch nicht gesehen habe, dazu einfach nur lang. Was für ein Fang!
Mit weichen Knien suchte ich die Wiege Utensilien zusammen. Wir waren alle gespannt was dieser Ausnahme Fisch wohl auf die Waage bringen würde.
Ums kurz zu fassen: Die Waage pendelte sich bei 36,5 unfucking-fassbaren Kilogram ein! Mein Freudenschrei drang über den See, was für ein unbeschreibliches Gefühl! Ich hatte den König des Sees vor mir liegen – mit Höchstgewicht.
Nachdem der Fisch versorgte war, musste ich mich erst einmal setzen. Mit einer Kippe im Mund liess ich die letzten Minuten nochmal Revue passieren. Dennis, Manuel und Christin kamen mit einem Glas Wein zu mir und wir stießen auf diesen Erfolg an. Denn an Schlaf war nun sowieso nicht mehr zu denken, wir wollten die aufgehende Sonne direkt zum Bilder machen nutzen.
Und so haben wir dann beim ersten Tageslicht mit Hilfe von Sebastian, der sich Schnurstracks nach der erhaltenen Info meines Fangs auf den Weg an den See machte, das Fotoequipment einsatzbereit gemacht und und fröhlich drauf los geknipst – zumindest soweit es meine Unterarme mitgemacht haben… Schwerstarbeit, sage ich euch!
Es kam mir immer noch wie in Trance vor, ich brauchte noch einige Stunden um das Erlebte zu realisieren. Obwohl ich in den Wochen zuvor bereits einen weiteren Karpfen über der 30kg Marke gefangen habe, hat dieser Fang alles bisherige um Welten übertrumpft. Ich war einfach nur Happy, genauso wie ich es jetzt noch bin, wenn ich an diesen Moment zurückdenke. Ein Moment für die Ewigkeit, mit dem „Catch of a Life Time“!
Joel!
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